Schillernde Zeitreise rund um Schloss Sandersdorf
Manche tauschen einfach nur das lapidare „Servus“ unterm Torbogen gegen ein formvollendetes „Gott zum Gruße“. Manche tauschen ihre Gewandung bereits in den heimischen vier Wänden gegen Kleidung aus längst vergangenen Epochen, bevor sie sich auf den Weg nach Sandersdorf machen. Und wieder andere verlegen gleich ihr ganzes Zuhause für drei Tage unter ein Zeltdach und auf die Schlosswiese.
Was alle Spielarten vereint: „Ab dem Eingang taucht man in eine andere Welt ein.“ Da muss was dran sein, schließlich stammt diese Erkenntnis aus dem Munde eines römischen Centurio, der am Wochenende leibhaftig mit Helmbusch und Ledersandalenausgestattet Schloss Sandersdorf regiert.
Oder haben vielleicht doch die Barbaren die Hosen an? Mancher munkelt, dass sich die Schotten aus dem 17. Jahrhundert zum Aufstand gegen die Obrigkeit zusammenrotten. Vielleicht aber ziehen auch die Landsknechte ins Feld. Oder die Ritterschaft. Womöglich knöpfen sich die Gesellen von Rabenaxt aufmüpfige Zeitreisende vor. „Wer gegen die Marktregularien verstößt, wird mit ihnen Bekanntschaft machen, denn sie haben allerlei lustiges Gerät da, um zu bestrafen“, warnt der Centurio. Ermuntert aber auch: „Die Gerätschaften sollte man sich unbedingt anschauen.“
Bei der „Zeitreise der Geschichte“ auf Schloss Sandersdorf verschwimmen Grenzen, das ist in jedem Fall sicher. Zum ersten Mal findet dieser Mittelaltermarkt hier statt, erstreckt sich über den Innenhof bis hinaus zu den letzten Enden der weitläufigen Wiesen. Zwischen Apfel- und Walnussbäumen haben die verschiedenen Historiengruppen ihre Lager aufgeschlagen und freuen sich auf die Gäste aus der „Moderne“, um sie für eine kurze Zeit mitzunehmen in lebendige Vergangenheit. Diese Einladung nehmen am Freitag, vor allem am Samstag und auch am Sonntag viele Besucher, darunter viele Einheimische, gerne an. Die Freude darüber, „dass sich was rührt auf dem Schloss“, ist groß, und aus allerlei Richtungen zu vernehmen.
„Seid auf das Allerherzlichste willkommen geheißen auf Schloss Sandersdorf. Es ist mir eine große Freude, euch hier zu erblicken“, ruft Altmannsteins Bürgermeister Norbert Hummel (CSU) dem versammelten Volk zum Auftakt am Freitagabendentgegen. Gemeinsam mit Organisatorin Sabine Nötzel und im Beisein von Schlossherr Horst-Florian Jaeck mit Familie läutet er die Premiere des Historienspektakels offiziell ein. Für die Organisatoren, die jährlich mehrere Veranstaltungen dieser Artaufziehen, ist Sandersdorf quasi eine Verlängerung der Saison. So wird der Centurio am Sonntag bilanzieren: „Die Feldschlacht zu Sandersdorf – die letzte des Jahres – war legendär. An den Feuern der Winterlager wird sicher so manche Geschichte aus Sandersdorf erzählt werden.“ Zwei dieser Schlachten gibt es an diesem Wochenende. Darüber hinaus ist quasi immer auf irgend einem Fleckchen Programm geboten. Musik unter anderem von Musica Immortalis, Magie mit Zauberer Jack, ein Mittelalterumzug mit allen teilnehmenden Gruppen. Nach einer Darbietung historischer Tänze aus der Renaissance beziehen die Tänzer zu des Fürstenfelde kleine und große Besucher mit ein. Für die angehenden Burgfräulein und aufstrebenden Ritter stehen Axtwerfen oder Bogenschießen auf dem Programm – oder eine Einkaufstour, um sich schon einmal für den nächsten Mittelaltermarkt einzukleiden.
Apropos Einkleiden: „Die Gewänder, die hier zu sehen sind, sind keine Faschingskostüme, sondern akkurat recherchiert“, verrät der Centurio mit den Wollsocken in den Riemensandalen. Dass die Lagernden ihre Leidenschaft leben, spürt man an diesem Wochenende deutlich. Die meisten fertigen ihre Gewänder selbst, verbringen viel Zeit mit Fachliteratur oder in Museen, um sie so authentisch als möglich zu gestalten.
Zur Authentizität eines Mittelalter-Spektakels gehören auch erhaben-derbe Sprache, allerlei Köstliches oder Kostbares an den Marktständen und im Falle Sandersdorf die eine oder andere Schlossführung. Was macht also den Unterschied zwischen einem Mittelaltermarkt und einem anderen Volksfest, will der Centurio wissen. Seine Antwort: „Es ist das geschichtliche Flair und der Ort. Es sind die Damen und Herren in ihren geschichtlichen Gewändern. Das macht die Geschichte zum Anfassen aus.“
Quelle: Donaukurier Webseite 09.09.2024
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